Anywhen, 2024
4K-Digitalfilm, Farbe, 5:1-Ton
Laufzeit: 15'10''
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Anywhen ist nicht nur ein Film, sondern ein lebendiges Projekt, eine kontinuierliche Weiterentwicklung eines früheren Films, der 2016 in der Tate Modern gezeigt wurde. In dieser Version verwebt der Film Bilder eines Kopffüßers – des Tintenfisches Sepia officinalis   - mit Aufnahmen von Bakterien und den elementaren Bewegungen von Flüssigkeiten und Gasen. Die Bilder werden von den eindringlichen Klängen von No Queda Nada, einem Lied der venezolanischen Musikerin Arca, untermalt. Dies erzeugt eine sinnliche Erfahrung, die sowohl vertraut, als auch fremd ist. Der Tintenfisch, der in einem Aquarium im Studio des Künstlers in Paris gefilmt wurde, ist ein wiederkehrendes Motiv in seiner Arbeit und erschien erstmals in Alien Seasons (2002). Dieses Wesen, mit seiner bemerkenswerten Fähigkeit, sein Erscheinungsbild augenblicklich zu verändern, verkörpert die Themen Zeit, Mutation und Kommunikation, die Parreno in seinen Werken immer wieder erforscht. Mit Hilfe von Chromatophoren – Zellen, die Licht und Pigmente manipulieren – verwandelt der Kopffüßer seine Haut von goldschimmernden Mustern zu düsteren, bedrohlichen Grautönen, wobei seine Verwandlungen zwischen Schönheit und Monstrosität schwanken.

Die Kamera verweilt auf dem Auge und den Tentakeln des Kopffüßers und fängt seine rätselhafte, jenseitige Präsenz ein. Das Auge wird zu einem Portal, einem Verbindungspunkt zwischen dem menschlichen Blick und einem intelligenten Wesen, das sich unserem Verständnis entzieht. Die Tentakel, die sich ständig bewegen, scheinen einer unbekannten Choreographie zu folgen, einer fremden Sprache, die in fließenden, dynamischen Gesten geschrieben ist. Dieses Werk ist keine Erzählung, sondern eine Begegnung, das Porträt eines Wesens, das sich an uns wendet. Es ist der Grenzbereich zwischen Lebensformen, Elementen und Zeit. Es lädt die Betrachter*innen ein, einen Bereich zu betreten, in dem sich die Grenzen zwischen Mensch und Nicht-Mensch, Organismus und Umwelt auflösen. Anywhen wird zu einer Frage: Was können wir von Kreaturen lernen, die in ständiger Verwandlung leben? Was sagen sie uns?

 

Protomarquee, 2016
Plexiglas, DMX, Stahl, Glühbirnen, Projektionsleinwand
330 x 500 x 19 cm
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers; Esther Schipper Berlin/Paris/Seoul

Das Werk Protomarquee leitet sich aus Parrenos Marquee-Serie ab, bei der es sich um Lichtobjekte handelt, die von den hell erleuchteten Leuchtreklamen an amerikanischen Theater- oder Kinoeingängen inspiriert sind. Die Protomarquee unterlaufen den räumlichen Kontext, in dem sie statt draußen an einer Theaterfassade hinter einer Projektionswand im Inneren installiert sind.

Etwa zwanzig Glühbirnen unterschiedlicher Größen erzeugen hinter der Leinwand eine Konstellation von Lichtpunkten. Diese leuchten teilweise während der Ausstrahlung des Films auf, doch vor allem während der Film nicht läuft schaffen die blinkenden Lichter Muster, die sich in die Gesamtsequenz von Licht und Ton im Raum einfügen.

Stimmen, 2024
(VSO) Sprache mit Susanne Daubner
Sprachkonstrukteure: David J. Peterson mit Jessie Sams
Sprachgenerierung/Stimmklonung: Pierre Lanchantin
Sounddesign: Nicolas Becker mit Lexx
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers; Susanne Daubner; Haus der Kunst München

Die Ausstellung präsentiert ein bahnbrechendes kybernetisches Sprachsystem, das in einer neuartigen, sich weiter entwickelnden Sprache namens ∂A spricht. Diese dynamische Sprache passt sich kontinuierlich an, indem sie auf Umweltdaten zurückgreift. Diese werden durch Sensoren gesammelt, die in einem Mandelhain in der Tabernas-Wüste in Spanien aufgestellt sind. Die Stimme, die auf der Grundlage der Stimme der ARD-Nachrichtensprecherin Susanne Daubner modelliert ist, wechselt zwischen Sprechen, Flüstern und Summen und erzeugt dabei melodische und beruhigende Töne, die an ein fernes Donnern erinnern. Das Netzwerk an Sensoren der kybernetischen (= sich selbst regulierenden) Struktur umfasst Wetterinstrumente, Luftqualitätsmonitore, geologische Sensoren und Kommunikationsgeräte. Dieses umfassende Netzwerk ermöglicht es, die Umgebung in einer Weise wahrzunehmen, die menschliche Fähigkeiten übertrifft. So übersetzt es Umweltdaten in einzigartige sprachliche Ausdrücke.  Das System kann emotionale Zustände basierend auf Umweltveränderungen nachahmen, und nimmt beispielsweise einen melancholischen Ton an, wenn es Umweltzerstörung wahrnimmt oder während ruhiger, nachdenklicher Datenanalysen. Die vom System generierten Übersetzungen in die menschliche Sprache sind poetisch. Sie suchen stets nach der anschaulichsten Art, die Beobachtungen zu vermitteln, um eine Brücke zwischen den einzigartigen Wahrnehmungen und dem menschlichen Verständnis zu schlagen.