Politik und Poetik, Ethik und Ästhetik: In diesem Spannungsfeld hat das multimediale Werk von Vivan Sundaram (*1943 in Shimla, Indien) in den letzten 50 Jahren Gestalt angenommen. Seine künstlerischen Anfänge fallen mit einem ikonischen Jahr des 20. Jahrhunderts zusammen: 1968 – das Jahr der internationalen Studenten-, Arbeiter- und Bürgerrechtsbewegung.
Damals, kurz nach seinem Abschluss an der Slade School of Art in London, schuf Sundaram eine erste wichtige Reihe von Gemälden. Dabei kristallisierte sich seine Überzeugung heraus, dass die Auseinandersetzung mit den politischen und sozialen Gegebenheiten der Welt die Grundlage für sein Künstlerdasein bildete. Unabhängig vom Medium konzentrierte er sich seither darauf, die formalen Mittel zu finden, die diesem Bekenntnis entsprechen.
Früh eignete er sich das Prinzip der Collage beziehungsweise Montage an und brach damit bestehende Bildräume respektive ästhetische Konventionen auf. Sowohl Pop Art als auch Minimalismus ebneten ihm den Weg für eine erweiterte künstlerische Praxis, die zunehmend Mixed-Media-Installationen einschloss. Sundaram war einer der ersten Künstler Indiens, der die Grenzen zwischen den Gattungen weitete und dieser formalen Erweiterung eine politische Bedeutung beimaß.
Während er sich Anfang der 1990er-Jahre verstärkt Installationen zuwendete, zeugen seine Arbeiten von einem zunehmenden Interesse an der Stofflichkeit verschiedener industriell und handwerklich gefertigter Materialien. Von da an gab er der Bricolage (Assemblage gefundener Objekte) im wahrsten Sinne des Wortes mehr Raum. Sie ist bis heute ein wichtiger formaler Bestandteil seines Schaffensprozesses. Sundaram beschreibt sich selbst als politischer Künstler und als kritischer Zeitzeuge. Seine politische Haltung ist dabei untrennbar mit seinen plastischen Ausdrucksmitteln im Sinne einer künstlerischen Sprache – einer Poetik der Herstellung – verknüpft.
Die Präsentation im Haus der Kunst ist die bislang umfassendste Überblicksausstellung in Europa von Sundarams Schaffen. Die drei Schlüsselbegriffe, Geschichte, Erinnerung und Archiv bezeichnen die übergreifenden Themen des Künstlers und dienen zugleich als Wegweiser durch die Ausstellung. Der Ausstellungsparcours versteht sich als offener Rahmen für die Erforschung der Zusammenhänge und (Um-)Brüche innerhalb Sundarams Werk.
Kurator: Deepak Ananth
Assistenzkuratorin: Anna Schneider