In einer diskursiven Listening Session nähern sich der Kurator Sven Beckstette und die beiden Journalist*Innen Aida Baghernejad und Malcolm Ohanwe der Plattensammlung des Ausnahmesportlers Jesse Owens
Die dedizierte Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die der US- amerikanische Künstler Theaster Gates dem Erbe Schwarzer Kultur widmet; die Sensibilität, die er als Musiker an den Tag legt und nicht zuletzt seine enge Verbundenheit mit der Stadt Chicago, veranlasste die Familie von Jesse Owens (1913-1980) dazu, die private Plattensammlung des Ausnahmesportlers Jesse Owens nach dessen Tod in die Hände Theaster Gates' zu geben.
Nachdem Jesse Owens als Sportler in die Geschichte eingegangen war, seine Karriere allerdings frühzeitig aufgrund von rassistischer Diskriminierung beendet wurde, musste sich der Musikliebhaber Owens mit den verschiedensten Nebenjobs, unter anderem als DJ, finanziell über Wasser halten und stellte im Laufe seines Lebens eine beachtliche Sammlung an Platten zusammen. Diese Sammlung ist nun als Erweiterung von Theaster Gates` Ausstellung in der Mittelhalle in der Archiv Galerie des Haus der Kunst aufbereitet. Sie umfasst über 1.800 ikonische Soul-, Blues-, Jazz- und Funk-Alben der 1950er bis 1970er Jahre, und gibt nicht nur Aufschluss über die außergewöhnliche Lebensgeschichte und den ausgefeilten und weltgewandten Musikgeschmack von Jesse Owens, sondern erzählt darüber hinaus als klangliches Archiv von den gesellschaftlichen Konflikten der Zeit. Anhand der Sammlung werden Schwarze Spiritualität und Kreativität ebenso wie der dringliche Ruf nach politischer Gleichheit und Freiheit wachgerufen.
Im Rahmen einer diskursiven Listening Session erwecken Sven Beckstette (wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof und u.a. Kurator der Ausstellung I Got Rhythm: Art and Jazz Since 1920 am Kunstmuseum Stuttgart) und die JournalistInnen Malcolm Ohanwe und Aida Baghernejad Jesse Owens‘ Plattensammlung für das Publikum zum Leben, wobei sie sich Jesse Owens‘ musikalischem Nachlass auf verschiedene Weisen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern. Während unsere Gäste ausgewählte Platten aus der Sammlung auflegen, führen sie, ausgehend von der Musik, ein Gespräch, in dem sie ihr spezifisches und breit gefächertes zeithistorisches, popkulturelles und musikalisches Wissen mit dem Publikum teilen.
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Aida Baghernejad (*1988) ist freie Journalistin und promoviert am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin zu kultureller Identität und Gastronomie. Als Journalistin schreibt sie auf Deutsch und Englisch für allerlei regionale, überregionale und internationale Publikationen über Musik und Essen. Manchmal auch über beides gleichzeitig, meistens aber über das Politische im Sound, auf der Bühne oder dem Teller. Außerdem gibt sie Workshops zu Themen wie Rassismus oder kultureller Aneignung und moderiert verschiedenste (populär)wissenschaftliche und stadtpolitische Veranstaltungen. 2019 gewann sie den International Music Journalism-Award für den besten deutschsprachigen Text des Jahres. Meistens lebt sie in Berlin, manchmal in London, und vor allem aber im Internet.
Sven Beckstette ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. 2008 hat er zum Thema „Historienbild im 20. Jahrhundert“ an der Freien Universität Berlin promoviert. 2009/10 folgte ein Volontariat am Lenbachhaus, München. Von 2010 bis 2012 war er leitender Redakteur von Texte zur Kunst, dessen Beirat er angehört. Zwischen 2012 und 2016 arbeitete er als Kurator am Kunstmuseum Stuttgart. Er kuratierte Ausstellungen unter anderem zu Otto Dix, Dieter Roth, Amie Siegel, Adrian Piper, Agnieszka Polska und Jack Whitten sowie zum Thema Kolonialismus und zum Verhältnis von Kunst und Jazz. Dazu hat er zahlreiche Beiträge zur modernen und zeitgenössischen Kunst verfasst und über Pop-Musik für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Spex und Waxpoetics geschrieben.
Malcolm Ohanwe ist multimedialer Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Für seine Hörfunk-Reportagen reist er durch die ganze Welt: Egal ob nach Detroit in den Vereinigten Staaten, in die 20-Millionen-Metropole Lagos in Nigeria oder ins schwäbische Sonthofen. In seinen Fernsehfilmen werden zweitweise kritische Themen wie Homophobie in religiösen Communities oder gewaltverherrlichende Texte in deutscher Rapmusik verhandelt, während viele seiner Hörfunk-Stücke oft Feminismus, (Alltags-)Rassismus, kulturelle Identität und Zugehörigkeit in den Mittelpunkt stellen. 2019 erhielt er den International Music Journalism Award für die beste musikjournalistische Arbeit unter 30, und wurde vom Medium Magazin als einer der besten JournalistInnen bis 30 gelistet. Außerdem betreibt er gemeinsam mit seinem Kollegen Marcel Nadim Aburakia seinen eigenen Podcast "Kanackische Welle", in dem auf unterhaltsame Art und Weise Fragen der Identität im Einwanderungsland Deutschland gestellt werden. Dieser ist derzeit für den Alternativen Medienpreis nominiert. Aktuell moderiert er für ARD alpha die Sendung "Respekt" und ist Autor für Capriccio und den Zündfunk.