Alessio ist ein 26-jähriger Mann. Er lebt in Rom und besucht jeden Tag die Bar gegenüber des Ateliers von Nico Vascellari. Der Künstler hörte zuerst seine Laute, eine Pfeife, einen Ruf. Eines Tages setzt sich Vascellari in die Bar und schaut den jungen Mann an. Seine Art die Welt wahrzunehmen ist durch sein Autismus-Spektrum geprägt: Er kommuniziert ohne Worte, mit einer Mischung aus Bewegung und Geräuschen. Alessios Kadenz, eine Komposition aus sich wiederholenden Gesten und Geräuschen, die sich ständig weiterentwickelt und seine Geschichte in einer ganz eigenen Sprache erzählt, hat Vascellari dazu veranlasst, Kommunikation jenseits von Worten zu erforschen.
Am 26.7.24 findet die aus der Begegnung entstandene Performance Alessio (2023-24) im Rahmen von Open Haus statt. Sie beginnt mit dem von Nico Vascellari geschaffenen Soundscape und einzelnen Personen, die sich mit Alessios Körpersprache verbinden. Im Laufe der Aufführung schließen sich nach und nach 15 Performer*innen aus München und Italien an und tragen ihren eigenen Dialekt der nonverbalen Sprache bei. Die etwa 30-minütige Choreografie erstreckt sich von der Mittelhalle im Haus der Kunst über den Terrassensaal bis hin zum Englischen Garten. Durch das Miteinander des Ensembles, das sich zusammen und auseinander bewegt, entsteht eine kollektive Geschichte über den universellen Wunsch zu verstehen und verstanden zu werden.
Nach Abschluss der Performance wird Alessios Klangwelt den Terrassensaal bis zum 3.9.24 weiter beleben. Die Türen zur Terrasse bleiben für die Dauer des Projekts geöffnet und schaffen eine Verbindung zwischen dem Gebäude und dem öffentlichen Raum im Freien. Dabei werden sie einen Chor aus Alessios Kadenz und der Polyphonie des Englischen Gartens dirigieren. Das im Terrassensaal parallel gezeigte Werk ¿ (2024) von Nico Vascellari fügt der Performance wie auch dem verbleibenden Klang eine weitere Ebene hinzu. Das umgedrehtes Fragezeichen aus roten Neonröhren deutet an, wie der eigene Standpunkt und Haltung die Wahrnehmung und das Verständnis von verbaler und nonverbaler Sprache verändern können.
Das Projekt lädt Besucher*innen ein, über eigenen Kommunikationsformen nachzudenken und sich in den Räumen des Haus der Kunst in einer Vielstimmigkeit aus nonverbalen Sprachen zu begegnen.
Mit der Ausstellung „Every Life Signs“ von Christine Sun Kim als Ausgangspunkt, den euward-Ausstellungen im Haus der Kunst und Workshops im Zentrum seines Programms, setzt das Haus der Kunst sein fortlaufendes Engagement für Inklusion und Barrierefreiheit fort. Dabei nutzt es das Projekt von Nico Vascellari als (Ver-)Lernwerkzeug für nonverbale Kommunikation. Als Kulturinstitution fördert das Haus der Kunst München die transformative Wirkung von kreativem Engagement, bei dem die Fähigkeiten des individuellen Menschen im Vordergrund stehen und jegliche Beeinträchtigungen überschatten. Das Haus hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Umfeld zu schaffen, das zur instinktiven Erkundung unserer öffentlichen Räume einlädt ermutigt. Das Ziel des Haus der Kunst ist es, Räume zu schaffen, in denen Erfahrungen und Präsenz durch das Teilen einer Vielstimmigkeit aus nonverbalen Sprachen ermöglicht werden können.
Entwickelt in Zusammenarbeit mit Nico Vascellari, dem kuratorischen Team und dem Team für Bildung und Teilhabe am Haus der Kunst (Andrea Lissoni, Lydia Antoniou, Camille Latreille).
Das Projekt wird von der Direzione Generale Creatività Contemporanea (Generaldirektion für zeitgenössische Kreativität) des italienischen Kulturministeriums im Rahmen des Programms des Italian Council (2023) unterstützt. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Comune di Firenze (Stadt Florenz) und dem Museo Novecento in Florenz, Italien, organisiert.