Mit den Arbeiten des Berliner Künstlers Michael Schmidt (*1945) zeigt das Haus der Kunst eine weitere stilbildende Position der zeitgenössischen Fotografie. Schmidt fotografiert ausschließlich in Schwarzweiß, was seiner Ansicht nach die farbige Welt neutralisiert und sie auf ein breites Spektrum an Grauwerten reduziert: "Grau ist meine Farbe. Es gibt ja tausend Abstufungen von Grau. Schwarz und Weiß sind bei mir immer das dunkelste Grau und das hellste Grau."
Bis in die 1990er Jahre fotografiert Schmidt fast ausschließlich in seiner Heimatstadt Berlin; Menschenbilder und Stadtlandschaften sind die beherrschenden Themen dieser künstlerischen Schaffensphase. 1977–78 entsteht eine Serie von Doppelporträts, die den Menschen in seinem beruflichen und seinem privaten Umfeld zeigen: zu Bürozeiten hinter dem Schreibtisch, abends auf der Couch im Wohnzimmer. Vom Punk über den Systemanalysten, Kommunalpolitiker und Heimerzieher bis hin zum PR-Chef der Schering AG – jeder Porträtierte nimmt Zuflucht zu ähnlichen Posen, und sein jeweiliges Milieu vermittelt eine gewisse Enge. Die Porträts der 1980er Jahre wirken hingegen spontaner und geben der Individualität der Porträtierten mehr Raum; doch fällt auch hier die Unbehaustheit des Menschen in seinem gesellschaftlichen Umfeld auf. Über die bloße Dokumentation hinaus formulieren die Menschenbilder immer auch die Sehnsucht, festgefügte Verhaltensmuster zu überwinden. Michael Schmidts Stadtlandschaften zeigen oftmals Zwischenräume, die architektonisch nicht genau definiert sind, etwa Baulücken oder Freiflächen. Die Aufnahmen wirken auf den ersten Blick wie die Dokumentation einer ortlosen Zweckarchitektur. Bei genauerer Betrachtung aber offenbaren sie eine geradezu malerische Komposition und eine unverkennbare künstlerische Handschrift.
Anfang der 1990er Jahre erweitert Michael Schmidt den Radius seiner Aktivitäten: In "Ein-heit" (1991–94) verquickt er individuelle mit kollektiven Erinnerungen, vermischt Bilder aus Ost- mit Bildern aus Westberlin und untersucht die scheinbar schicksalhaft vorgegebenen Rollen von agierenden Individuen. 1996 wird er durch eine Einzelausstellung im New Yorker MoMA international bekannt. 1991–97 entsteht die Serie "Frauen", auf Reisen durch die deutsche Provinz die Serie "Irgendwo" (2001–04), und seine neuesten Arbeiten zeigen ebenso zurückhaltende wie poetische Sichten auf das Meer. Die Fotografien Michael Schmidts sind ein Schwerpunkt der diesjährigen 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst.
"Grau als Farbe" ist die bislang umfangreichste Einzelausstellung des Künstlers und umfasst Werkgruppen aus fünf Jahrzehnten mit insgesamt 400 Originalfotografien. Neben den berühmten Serien "Waffenruhe", "Frauen" oder "Ein-heit" präsentiert sie auch zahlreiche neue, noch nie gezeigte Arbeiten Michael Schmidts.