Mit der Ausstellung "Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955" erinnert das Haus der Kunst an den 75. Jahrestag seiner Eröffnung am 18. Juli 1937. Dieses Datum bietet den Ausgangspunkt für die Frage nach der eigenen Vergangenheit, das Nachdenken über den komplexen historischen Prozess, der das Haus der Kunst in seiner heutigen Form hervorgebracht hat.
Die historischen Eckdaten der Ausstellung sind die Jahre 1937 und 1955. Sie umspannen eine gesellschaftliche und politische Entwicklung, an deren Anfang die Ideologie der Nationalsozialsten stand und an deren Ende die Transformation zu einem demokratisch verfassten Staat begonnen hatte. In diesen 18 Jahren veränderte sich nicht nur die inhaltliche Ausrichtung des Haus der Kunst entscheidend; durch die kulturhistorischen Wendungen dieser Zeit wurden auch die Weichen für die weitere Entwicklung als internationales Ausstellungshaus gestellt. Heute spielt das Haus der Kunst bei der Diskussion über relevante Positionen der zeitgenössischen Kunst eine gestaltende Rolle.
Das Haus der Kunst wurde von 1933 bis 1937 nach Plänen von Adolf Hitlers bevorzugtem Architekten Paul Ludwig Troost als "Haus der Deutschen Kunst" errichtet. Das neoklassizistische Gebäude war Symbol für die Durchsetzung der nationalsozialistischen Kunstpolitik. Während man hier die Zurschaustellung eines vorwiegend biederen Realismus als einzig wahre "deutsche" Kunst zelebrierte, wurde die Moderne als "entartet" abgeurteilt und ihr jegliches Existenzrecht abgesprochen. Bezeichnenderweise fand die Eröffnung der Femeschau "Entartete Kunst" im Galeriegebäude am Hofgarten einen Tag nach der pompösen Einweihung des "Hauses der Deutschen Kunst" statt. Die von der Kulturpolitik verbannte und beschlagnahmte Kunst hinterließ eine Lücke, die man sich nach Kriegsende schnell zu schließen bemühte. So diente das Haus der Kunst wiederum als Symbol: diesmal für die Rückkehr der Moderne an den Ort, an dem Hitlers Säuberungsfeldzug gegen die Avantgarde seinen Anfang genommen hatte. Zu den wichtigsten Ausstellungen in dieser Reihe gehörten "Der Blaue Reiter" (1949), "Die Maler am Bauhaus" (1950), Max Beckmann (1951), Frank Lloyd Wright (1952), Wassily Kandinsky und Paul Klee (1954) sowie die Picasso-Retrospektive im Jahr 1955.
"Geschichten im Konflikt" erforscht die Stationen der Geschichte des Hauses im Kontext politischer und kultureller Veränderungen, aber auch in ihren internationalen Parallelen und Bezügen. Großausstellungen, die für die Topografie der Kunst des 20. Jahrhunderts maßgebend waren, wie die Pariser Weltausstellung 1937, die Biennalen von Venedig und die erste documenta 1955, bilden die Koordinaten der internationale Dimension der Geschichte des Haus der Kunst. So beleuchtet die Ausstellung nicht nur die Bezüge zwischen der "Großen Deutschen Kunstausstellung" und der Femeschau "Entartete Kunst", sondern zeigt auch jene zwischen dem von Albert Speer gestalteten deutschen Pavillon der Pariser Weltausstellung, in dem das Modell des Hauses der Deutschen Kunst gezeigt wurde, und dem spanischen Pavillon, der Picassos "Guernica" – eine Ikone der Antikriegskunst – ausstellte. Die Ausstellung "Picasso" im Haus der Kunst, die das Bild "Guernica" erstmals in Deutschland zeigte, fiel in das Jahr 1955 - dasselbe Jahr, in dem auch Arnold Bodes documenta 1 in Kassel stattfand; sie versuchte mit Werken von Künstlern, die 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" abgeurteilt worden waren, wieder den Anschluss an die internationale Moderne zu finden.
Das Nachdenken über den komplexen und komplizierten historischen Prozess, der das Haus der Kunst in seiner heutigen Form hervorgebracht hat, setzt sich bis in die Gegenwart fort. So verdeutlicht "Geschichten im Konflikt" exemplarisch, was Okwui Enwezor, seit 2011 Direktor des Hauses, unter einem "reflexiven Museum" versteht: der zeitgenössischen Kunst verpflichtet zu sein und die historische Dimension der Gegenwart zu untersuchen und zu vermitteln. Für "Geschichten im Konflikt" hat das Haus der Kunst den Schweizer Konzeptkünstler Christian Philipp Müller eingeladen, zur Geschichte des Gebäudes eine Dramaturgie zu entwickeln.