Erst in den letzten Jahren beschäftigt sich die Forschung zunehmend mit den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“, die wichtigsten Werk- und Verkaufsschauen der Kunst im Nationalsozialismus. In ihrem Blogbeitrag beleuchtet Sabine Brantl diese Ausstellungen, durch die das Haus der Deutschen Kunst zum zentralen Schauplatz nationalsozialistischer Kunstpolitik avancierte.
Die Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst mit der ersten „Großen Deutschen Kunstausstellung“ am 18. Juli 1937 war ein spektakuläres, aufwändig inszeniertes Medienereignis. Nationale wie internationale Tageszeitungen berichteten darüber. Ausführlich wurde Hitlers Eröffnungsrede zitiert, in der er der zutiefst verhassten Moderne einen „unerbittlichen Säuberungskrieg“ ankündigte und erklärte, dass der Maßstab jeder künstlerischen Leistung in der „arischen Rasse“ liege. Damit wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die NS-Kunstpolitik auch wesentlich auf Rassenpolitik und Konstruktionen von Ausschluss und Zugehörigkeit basierte und nicht allein ein Machtapparat zur Ausschaltung einer unerwünschten Moderne war. Mit den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ schuf man sich einen ästhetischen und politischen Raum, welcher bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges der Durchsetzung und Zurschaustellung dieser ideologischen Ziele diente.
Organisatorisch betrachtet, handelte es sich bei den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ um Verkaufsausstellungen, wie sie seit dem 19. Jahrhundert üblich waren. Im Gegensatz zu den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ waren diese Verkaufsschauen jedoch regional und autonom, das heißt von lokalen Künstlerverbänden oder Kunstvereinen organisiert. Voraussetzung für die Teilnahme an den Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst war die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste, wie sie seit November 1933 für die Ausübung eines künstlerischen Berufs verpflichtend war. Über 9.000 Maler*innen, Bildhauer*innen und Graphiker*innen reichten zum Teil auch mehrmals Arbeiten zu den insgesamt acht Schauen ein. Auch Künstler*innen wie etwa Gabriele Münter, die als Gründungsmitglied des „Blauen Reiters“ die Avantgarde vor dem Ersten Weltkrieg mitgeprägt hatte, entschlossen sich zunächst, Arbeiten für die „Große Deutsche Kunstausstellung“ einzureichen. Ende Mai 1937 schrieb sie an ihren Lebensgefährten Johannes Eichner: „>Vereiste Straße< würde ich glatt riskieren, hat schon kunstfernen Menschen imponiert ... Ich hab auch Mut zum >Jochberg<. Das ist deutsch, deutsche Landschaft<“. Vier Wochen später teilte sie ihm jedoch mit, „die Auswahlsendung scheine >negativ erledigt<“ (zitiert nach: Gisela Kleine, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Biographie eines Paares, München 1993, S. 627 u. 775). Münter bewarb sich kein weiteres Mal. Entschied anfangs noch eine Künstlerjury über die zur Ausstellung kommenden Arbeiten, so setzte Adolf Hitler bereits im Juni 1937 - da er mit den ursprünglich für die erste „Große Deutsche Kunstausstellung“ vorgesehenen Exponaten in hohem Maße unzufrieden war - seinen Leibfotografen Heinrich Hoffmann sowie Karl Kolb, den Direktor des Hauses der Deutschen Kunst, und die Architektenwitwe Gerdy Troost für die Auswahl der eingesandten Werke ein. Hitlers Stimme blieb jedoch entscheidend.
So wurde zum Beispiel 1940 die Ausstellungsleitung aufgefordert, die eingereichten Plastiken noch strenger zu prüfen. Zudem mussten wenige Tage vor Eröffnung der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ Arbeiten von mindestens 29 Künstler*innen – darunter auch Bilder der sonst sehr geschätzten Maler Karl Theodor Protzen und Heinrich Zügel – entfernt werden, da Hitler sie als „modern“ empfand.
Mit den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ wurde ein ästhetisches Leitbild befördert, das Kunst zu einer „völkischen“ Angelegenheit machte. Obwohl die Schauen im Haus der Deutschen Kunst nur zu einem geringen Teil offene Propaganda zeigten, vermittelten sie auf 6.000 qm eine Art begehbares Weltbild des nationalsozialistischen Regimes: das Verständnis von Heimat, das Verhältnis der Geschlechter zueinander, die Rolle der Familie, Arbeiter, Bauern und Soldaten. Eine vordergründig „heile Welt“, die die „Volksgenossen“ visuell fesseln sollte und gleichzeitig auf den NS-Staat und dessen Ideale der Stärke, Schönheit und Reinheit des „arischen“ Menschen einschwor. Druckerzeugnisse wie Ausstellungskataloge, Kunstzeitschriften und Postkarten sowie Berichte in den Deutschen Wochenschauen sorgten zudem für eine stetige Popularisierung der ausgestellten Werke und schrieben diese in das Bildgedächtnis einer ganzen Generation ein.
Betrachtet man die Ausstellungskataloge und Bilddokumente zu diesen Schauen, so fällt auf, dass die Exponate stilistisch überwiegend einem konservativen Akademismus verpflichtet waren, wie er seit dem 19. Jahrhundert an den entsprechenden Institutionen gelehrt wurde. Ein großer Teil der Exponate waren Landschaften, bäuerliche Idyllen, mythologische Szenen, Tierdarstellungen sowie Stillleben und Porträts, die mitunter auch Einflüsse der Neuen Sachlichkeit zeigten. Porträts von NS-Führern waren in der Minderzahl, jedoch an strategisch wichtigen Orten platziert. Das Bildnis Adolf Hitlers war obligatorisch und sollte bereits beim Betreten des ersten Saales die Aufmerksamkeit der Besucher*innen an sich ziehen. In der Plastik dominierte ein Neo-Klassizismus, der sich – man denke an Arno Breker oder Josef Thorak - ins militant Heroische steigerte. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nahmen Soldaten- und Kriegsdarstellungen, die einen klaren propagandistischen Zweck erfüllten, einen besonderen Stellenwert ein. Demgegenüber standen zahlreiche, größtenteils hyperrealistisch ausgeführte Aktdarstellungen, die einem „arischen“ Frauentypus entsprachen.
Erst seit 2004 - im Zuge der Erforschung und Öffnung des Historischen Archivs des Haus der Kunst - liegen uns ausführliche Informationen über die Ankaufspolitik und wirtschaftlichen Belange der „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ vor. So wurden ab 1938 die Einlieferungen in einer Künstlerkartei, die Verkäufe in den Kontenbüchern des Hauses der Deutschen Kunst festgehalten. Die Kontenbücher geben Auskunft über die verkauften Werke, deren Preise und Verkaufsdatum. Zudem liefern sie genaue Erkenntnisse über die Identität der Käufer*innen. Diese Informationen sind seit Oktober 2011 weitgehend über die Onlinebild-Datenbank gdk-researchzugänglich, die vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte in Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum Berlin und dem Haus der Kunst entwickelt wurde. Neben den Informationen aus den Kontenbüchern, bilden die Grundlage dieser ersten Forschungsplattform über die Kunst im Nationalsozialismus sechs Fotoalben, in denen die die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ ab 1938 von dem Münchner Fotostudio Jaeger und Goergen dokumentiert wurden. Nur circa zehn Prozent der dort ausgestellten Werke waren bislang durch Abbildungen bekannt.
Insgesamt wurden in den acht „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ 12.550 Werke der Plastik, Malerei und Grafik gezeigt, wovon über 7.000 zu einem Gesamtpreis von knapp 19 Millionen Reichsmark verkauft wurden. Es schien, als habe sich mit der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ ein Markt für zeitgenössische „deutsche“ Kunst etablieren können. Doch ist zu bedenken, dass das öffentliche Kunstangebot in Deutschland – nach der Verfemung und Veräußerung der sogenannten „Entarteten Kunst“ und der Liquidierungswelle jüdischer Galerien und Auktionshäuser – primär auf die Kunst eingeschränkt war, die das NS-Regime auch als solche deklarierte. Zugleich dominierte die oberste Parteispitze auch als Käufer den Markt. Allein die Ankäufe Adolf Hitlers machten rund 6,8 Millionen Reichsmark aus.
Doch nicht nur die nationalsozialistische Parteiprominenz und ihre Organisationen gehörten zu den Käufern der „Großen Deutschen Kunstausstellungen", sondern auch Privatpersonen, die zahlreich ins Haus der Deutschen Kunst strömten. Durchschnittlich verzeichneten die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ zwischen 1937 und 1943 jährlich 600.000 Besucher*innen. Die achte und damit letzte „Große Deutsche Kunstausstellung“ sahen immerhin noch über 80.000 Personen. Ihre Motive, das Haus der Deutschen Kunst zu besuchen, mögen verschiedentlich gewesen sein, vom enthusiastischen Einklang mit dem NS-Staat und dessen Kunstpolitik bis zur als apolitischen Freizeitgestaltung gereicht haben. Darüber hinaus dürfte die sukzessive kriegsbedingte Auslagerung und Schließung öffentlicher Kunstsammlungen auch den Besucherzahlen im Haus der Deutschen Kunst zugutegekommen sein. Um die Ausstellungen auch während der Kriegsjahre in großem Stil veranstalten zu können, wurden fast ausnahmslos alle im Haus der Deutschen Kunst beschäftigten Mitarbeiter vom Wehrdienst freigestellt. Noch im Februar 1945 ordnete Hitler die Vorbereitung für eine weitere „Große Deutsche Kunstausstellung“ an, die dann wegen des Kriegsendes nicht mehr realisiert wurde.
Im Oktober 1945 beauftrage die amerikanische Militärregierung Mitarbeiter*innen des Hauses der Deutschen Kunst mit der Abwicklung der noch im Gebäude verbliebenen Gemälde und Plastiken. Mindestens 67 Gemälde wurden als Wandschmuck für den Officers‘ Club im ehemaligen Haus der Deutschen Kunst verwendet. Ab August 1946 wurden die im Depot lagernden Arbeiten, darunter auch die noch vorhandenen Ankäufe verschiedener NS-Ministerien, in den Münchner „Central Collecting Point“, die größte zentrale Sammelstelle Süddeutschlands für nationalsozialistische Raubkunst, überführt und mehrfach verlagert. Eine Rückgabe an die Künstler bzw. Käufer erfolgte nach Vorlage einer politischen Unbedenklichkeitsbescheinigung (Spruchkammerbescheid). 1963 übergab die amerikanische Regierung der Oberfinanzdirektion München einen Teil der von Hitler angekauften Gemälde und Skulpturen, die im Münchner Hauptzollamt gelagert und 35 Jahre später an das Deutsche Historische Museum übergeben wurden. Als Träger einer Geschichte, von der man sich zu distanzieren suchte, wurden die künstlerischen Hinterlassenschaften der NS-Zeit im Nachkriegsdeutschland tabuisiert und eingelagert. Auch wenn sich heute ein weitgehender Wandel zu einem dokumentarischen Umgang vollzogen hat, gestaltet sich die öffentliche Auseinandersetzung immer noch als schwierig und stellt eine Herausforderung dar, nicht zuletzt was museale Präsentationsformen sowie die wissenschaftliche Forschung und eine damit einhergehende Revision unseres Bildes von einer Kunst im Nationalsozialismus betrifft.
Sabine Brantl leitet die Stabstelle Geschichte am Haus der Kunst und verantwortet als Kuratorin die Ausstellungen in der Archiv Galerie. 2007 publizierte sie die erste umfassende Monographie über die Geschichte des Hauses (Haus der Kunst, München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, erschienen im Allitera Verlag München).