Mit Monira Al Qadiri (geb. 1983 in Dakar, Senegal) widmet das Haus der Kunst einer der bedeutendsten Künstlerinnen der Golfregion die Kapsel 12 in der Südgalerie. Für diese Präsentation hat Al Qadiri eine vielteilige Skulpturengruppe sowie einen neuen virtuosen Film produziert. Dessen Titel, „Holy Quarter“, bezieht sich auf die weltweit größte Wüstenregion „Empty Quarter“ zwischen Saudi-Arabien, Oman, Jemen und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Al Qadiri wuchs in Kuwait auf und zählt zu einer Generation, der die rasante Transformation des jungen Nationalstaats – von ältesten Lebensformen über die seit den 1960er-Jahren massiv geförderte Ölwirtschaft hin zu einem wichtigen Akteur der Geopolitik – in die Biografie eingeschrieben ist. Ihre Arbeit nimmt in den Bildenden Künsten die Rolle eines Seismografen für eine zwangsglobalisierte Welt ein. Seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit befasst Al Qadiri sich mit der Zerrissenheit als einer Folge von Wohlstand, Religionsvorstellungen und magischem Denken.
„Holy Quarter“ nimmt seinen Ausgangspunkt mit der Geschichte des britischen Forschungsreisenden St. John Philby, der in den 1930er-Jahren die Wüstenregion „Empty Quarter“ durchquerte, auf der Suche nach den Ruinen einer antiken Stadt. Statt eines ‚Atlantis des Sandes‘ fand er jedoch die Überreste eine „Vulkans“, der sich in Wirklichkeit als einer der größten Einschlagkrater von Meteoriten erwies. Der Oman ist eins der größten Einschlaggebiete für Meteoriten, und viele Fossilien in seiner Landschaft sind Millionen Jahre alt. Die Drehorte von „Holy Quarter“ befinden sich alle in dieser Region, einige von ihnen sind mythenumwoben. Sie stehen somit für eine Verbindung mit dem Weltall und dem Ursprung der Erde sowie für die Suche nach einer fehlenden empirischen Gewissheit.
Die Wüste als einer der ältesten und unberührtesten Lebensräume dient Al Qadiri als Ort der Spurensuche nach dem Sinn der Existenz. Ihre bisherige Kritik gesellschaftlicher Zukunftsvisionen führt sie nun zur Beschäftigung mit der Vergangenheit der Heimatregion, als Gegenentwurf zu wirtschaftspolitischen Missständen oder aber Widersprüchen von konservativen Strukturen und neuen Technologien.
Im Meteoritenkrater Al Wabar findet Al Qadiri „Wabar Pearls“, wunderschöne schwarze leuchtende Steine, die durch die Hitze aufschlagender Meteoriten in den Sand entstehen, woraus sie ihre mehrteilige Werkgruppe von Glasskulpturen ableitet. Ihre perlenartige Form erinnert an die Zeit, in der Perlentauchen einst der Hauptwirtschaftszweig Kuwaits war, und ihre Farbe an die von Öl – ein Quantensprung, den Monira Al Qadiri „Alien Technology“ nennt. In dem Film „Holy Quarter“ haben die schwarzen Glasperlen die Rolle des Erzählers. Sie sprechen mit computersimulierter Stimme, als fiktionales Wesen Wabar, das aus dem All auf die Erde gefallen ist und dabei wie ein Meteorit eine mythologische Qualität gewinnt.
Monira Al Qadiri konfrontiert den Betrachter jenseits westlicher Vorstellungen von Modernität mit einem raumzeitlichen Delirium und schafft ein intermediales Projekt, das Musik, Sprache und bildgewaltige Szenen miteinander verwebt und den Nerv globaler Fragestellungen trifft.
Kuratiert von Jana Baumann