Einen utopischen Perspektivwechsel auf das Verhältnis von Menschen und die sie umhüllende Welt eröffnet Jo Penca (*1989) mit Kreb Core Cargo. Die in Kollaboration mit dem Elektronik-Duo Les Trucs von Penca neu konzipierte Performance mündet in eine mehrwöchig begehbare Raum- und Klanginstallation.

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Jo Penca. Kreb Core Cargo(o2BFj6WClI4)

Performer*innen und Zuschauer*innen befinden sich in einem Fischerhafen. Dort finden Hafenarbeiter*innen in Frachtcontainern unförmiges Meeresgetier. Sie erzählen sich Seemannsgarn über die andersartigen Wesen, schlüpfen schließlich in die unbekannten Tierkörper und werden in diesem transformativen Akt zu Krabbenwesen. Mit den „Hüllenwechsel“ können soziale Codes –repressive Geschlechterrollen oder artenspezifische Überlegenheit zum Beispiel – thematisiert werden. Wie verändert das Krabbengehäuse den Blick auf die Welt?

Inspiriert ist Kreb Core Cargo von der Arbeit des Biologen Lancelot Alexander und des von ihm beschriebenen Phänomen der „Carzinisierung“. Jo Pencas Environment-Inszenierung thematisiert eine fiktive „Verkrabbung“ des menschlichen Körpers, einen Prozess, an dessen Ende die Überwindung bestehender gesellschaftlicher Strukturen wie die kapitalistische, artenspezifische und sexuelle Repression steht.

Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni
Ohne Titel, 2021 ©️Courtesy Jo Penca und Galerie Deborah Schamoni

Jo Pencas vielgestaltige künstlerische Praxis verbindet darstellende und bildende Kunst. So versetzt Kreb Core Cargo die Zuschauer*innen in eine raumgreifende Inszenierung mit einem künstlerischen Set- und Kostümdesign im Westflügel des Haus der Kunst. Parallel sich vollziehende Ereignisse auf unterschiedlichen Bühnen erzeugen eine Überlagerung von zeitlichen und räumlichen Narrativen. Konventionelle Frontalität wird durch neue, forschende Begegnungen zwischen dem Publikum und den Darsteller*innen aufgelöst. Auch mit den eindringlichen elektronischen Klang-Environments von Les Trucs und gesungenen Dialogen werden fluide Zustände herbeigeführt, die die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sowie zwischen Wissenschaft und Mythologie aufzulösen scheinen.

Mit Jo Pencas Neuproduktion Kreb Core Cargo stellt das Haus der Kunst eine bedeutende Künstlerin aus München vor, die an der Schnittstelle von Bildender Kunst, Performance, Theater, sowie auch Konzert arbeitet. Sie wirft gegenwärtige Fragen rund um diverse Identitäten und eine Einbettung vielgestaltiger menschlicher Lebensformen in vorherrschenden ökologischen und geschlechtlichen Gesellschaftsstrukturen auf. Penca strebt einen Prozess der Heilung von im Miteinander erlangten Narben an.


Musikkomposition: Les Trucs (Toben Piel und Charlotte Simon)

Hackbrett und Blockflöte: Lisa Schöttl

Lichtdesign: Jakob Penca 

Kuratiert von Jana Baumann 
Kuratorische Assistenz: Luisa Seipp